Schubladendenken, ein Problem der Sehenden?
Ist Schubladendenken ein Problem? Nun, oft wird es eine gute Strategie sein, doch hin und wieder vielleicht auch nicht. Zumindest könnte es bei Fehleinschätzungen zu Störungen bei der Kommunikation führen. Ein Problem, dass ich lange den sehenden zuschrieb, schließlich geht es doch meist um Äußerlichkeiten. Warum ich das heute ein wenig anders sehe, möchte ich dir im Folgendem erläutern.
Schubladendenken, ein Problem der Sehenden?
Wie heißt es so schön: Der erste Eindruck bekommt keine zweite Chance! Mit anderen Worten, wir beurteilen unser Gegenüber bereits nach kurzer Zeit Anhand dessen aussehen, und seinen Äußerlichkeiten. Klare Sache, ein Problem der Sehenden, oder? Davor bin ich, glücklicherweise inzwischen gefeit. Dass zumindest dachte ich lange Zeit nach meiner Erblindung.
Wie ich darauf komme? Nun ganz einfach, nach einem nettem Gespräch mit neuen Bekanntschaften erkundigte ich mich damals gern einmal nach deren Aussehen. Tja, und wie sich dann herausstellte, wichen Vorstellung und Realität oft ziemlich voneinander ab. Das ist dir bestimmt nicht ganz unbekannt, oder? Ich nenn es mal Radio- oder Telefoneffekt.
Das Problem daran war, hätte ich diese Personen, beim ersten Kennenlernen sehen können, wäre ich vermutlich anders auf diese zugegangen. Das kannte man schließlich, diese „Typen“, die so aussahen, von denen hält man sich besser fern, oder, man verhält sich ihnen gegenüber anders. Ganz nach dem Motto: Kleider machen Leute!
Daran konnte ich also sehen, wie nachteilig es sein kann, wenn man sein Gegenüber nur nach dem Äußeren beurteilt, ihn gleich in eine Schublade steckt. Aber, so dachte ich, davor bin ich ja jetzt gefeit, dass konnte mir nicht mehr so leicht passieren. Oder anders gesagt, bei mir waren inzwischen andere Werte gefragt.
Schubladendenken hat auch seine Vorteile
Allerdings, Schubladendenken hat auch seine Vorteile. Ein Vorteil des Schubladendenkens wäre beispielsweise, unser Gegenüber schnell einschätzen zu können. Wir haben schließlich häufig, schlichtweg, nicht die Zeit unser Gegenüber länger zu beobachten und einzuschätzen. Statt dessen greifen wir auf Erfahrungen aus der Vergangenheit zurück und gleichen dabei unter Anderem eben auch Äußerlichkeiten ab.
Eine feine Sache sollte man denken, schließlich kommen wir damit ganz gut durch den Alltag. Unser gegenüber wird gemustert um nicht zu sagen gescannt, beurteilt, und im Bruchteil einer Sekunde in eine Schublade gesteckt. Wir wissen wen wir da vor uns haben und wie mit ihm umzugehen. Klare Sache, und oft liegen wir mit unserem Urteil richtig.
Trotzdem passiert es nicht selten, dass diese Strategie an ihre grenzen stößt. Störungen treten meist dann auf, wenn unser Gegenüber keine eindeutigen Signale sendet, oder wir diese falsch interpretieren. Ganz davon abgesehen, dass unsere Wahrnehmung auch immer Tagesform abhängig ist, oder durch vorangegangene Ereignisse getrübt.
Schubladendenken mit den Ohren
Wie gesagt, lange Zeit dachte ich, Äußerlichkeiten wären für mich kein Thema mehr. Ganz nach dem Motto: Man sieht nur mit den Ohren gut! 😉 Doch weit gefehlt, irgendwann musste ich, zu meinem eigenem entsetzen feststellen, dass meine Ohren genauso anfällig für dieses Phänomen sind. Soll heißen, akustische Wahrnehmungen erzeugen ebenfalls Bilder im Kopf!
Irgendwann entdeckte ich, dass ich mein Gegenüber falsch eingeschätzt hatte. Auf Grund dessen Stimme, seiner Art zu sprechen, oder wegen des Dialekts steckte ich diese Person, unbewusst, in eine Schublade. Ein schnelles Urteil lautete dann, unsympathisch, unangenehm, arrogant. Dummerweise lag ich meist mit den negativ Beurteilungen falsch. Ähnlich eines Sehenden, der das Äußere seines Gegenübers verurteilt, weil es nicht seinen Vorstellungen entspricht.
Plötzlich wurde mir bewusst, das ich nicht mehr vor diesem Effekt gefeit war, und auch ich gern mal die Schubladen für Vorurteile aufmachte. Denn erst nach einer Weile, als ich mit diesen Personen näher ins Gespräch kam, stellte sich heraus, dass ich mich getäuscht hatte. Auf einmal entdeckte man Gemeinsamkeiten, ein Thema, oder Interesse. So wurde aus anfänglicher „Abneigung“ fast schon wieder Sympathie.
Allerdings, wenn man es genau betrachtet, ist das gar nicht so ungewöhnlich. Denn, die Ohren haben in gewisser Weise ja die Funktion meiner Augen übernommen. Also warum sollte bei mir nicht auch ein Bild, ein Eindruck sozusagen, entstehen. Tja, und das dieses Bild eben nicht immer der Wahrheit entspricht, das ist auch klar. Auch die Ohren können sich täuschen! 😉
Fazit: Ich versuche seither dem ersten Eindruck immer eine zweite Chance zu geben. Und auch wenn Schubladendenken nicht automatisch schlecht ist, gilt es dies zu verhindern. Denn, wer möchte sich schon ständig an einem offenstehenden Möbel stoßen? 😉