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Gepostet on Feb 5, 2016 in Allgemeine Themen, Erste Schritte in Dunkelheit | 2 Kommentare

Mit dem Blindenstock auf Tour

Mit dem Blindenstock auf Tour

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Wie ist das eigentlich nichts zu sehen? Lediglich mit einem Blindenstock in der Hand aus dem Haus zu gehen, beziehungsweise sich zu orientieren? Diese Frage wird mir immer wieder gestellt. Nachdem ich mir kürzlich einen neuen Blindenstock besorgt hatte, dachte ich mir, ich schreib was drüber.

Damals, knapp ein Jahr nach meinem Unfall, sollte der Blindenstock so etwas wie mein „Drittes Auge“ werden, zumindest was die Orientierung im Straßenverkehr anbelangte. Als Späterblindeter war das zu Beginn echt komisch. Denn wie, so dachte ich jedenfalls, sollte mir so ein bisschen Rohr Sicherheit bringen und meine Augen ersetzen? Darüber hinaus musste ich mich in der Öffentlichkeit auch noch als „Behinderter“ outen. Bis dahin konnte ich das noch ganz gut vertuschen. Zumal man mir die Blindheit nicht ansah und auch kaum jemandem der Blindenanstecker an meiner Brust auffiel. Doch mit dem weißen Blindenstock in der Hand, würde auch der Letzte wissen, was mit mir los war!

Natürlich war mir klar, dass ich nicht darumkam mich mit dem Blindenstock auseinanderzusetzen, schließlich war mir meine Mobilität sehr wichtig und ich konnte auch nicht ewig mit Begleitperson durch die Gegend laufen. Also lud ich meinen zukünftigen Mobilitätslehrer zu mir nach Hause ein, um die Grundsätze der Stocktechnik zu erlernen. ☺

Ich bemerkte schnell, dass die Technik eigentlich gar nicht so schwer ist. Man nimmt den Blindenstock zwischen Daumen und Mittelfinger, wobei der Zeigefinger als Rührhilfe dient. Fast so, als würde man einen übergroßen Zeigestock halten. Den Blindenstock hält man mittig vor die Brust und tippt ihn beim Gehen abwechselnd immer dort auf den Boden wo der nächste Fuß auftreten soll. Immer schön im Wechsel. Glaub mir, wenn man den Dreh mal raus und seinen Rhythmus gefundenes hat, ist es wirklich nicht so schwer.

Interessant in diesem Zusammenhang ist: Auch bei uns Blinden bleibt die Entwicklung nicht stehen. Anstatt mit dem Blindenstock zu Tippen, schleift man ihn heute über den Boden. Und damit der Blindenstock besser auf dem Belag rollen kann, wurde die feste Keramikkugel gegen eine Drehspitze getauscht. Der Vorteil: Der Blinde bekommt mehr Rückmeldung über die Bodenbeschaffenheit und Hindernisse. Nachteil ist möglicherweise, dass man weniger Schallinformationen von der Umgebung bekommt. Ich habe mich jetzt auch für einen Blindenstock mit Rollspitze entschieden und bin schon gespannt wie sich das anfühlen wird. 🙂

Der Theorie folgt die Praxis.

Als es daran ging das Erlernte in die Praxis umzusetzen wurde mir dann doch ein wenig mulmig in der Magengegend. Nun hieß es sich endgültig zu outen. Dementsprechend ungeschickt stellte ich mich dann auch an! Erst als mir klar wurde, dass ich die Vorstellung darüber, was wohl die Menschen auf der Straße über mich denken mochten, ausblenden musste, konnte ich die Technik vernünftig anwenden und meine ersten Geh-Erfolge erzielen. 🙂

In Begleitung meines Trainers spazierte ich anfangs nur in der näheren Umgebung herum. Ich lernte mich an der Innenkante des Gehsteigs entlang zu tasten, kurze Freiflächen zu überwinden und dabei die Außenkante des Gehsteigs als Orientierungshilfe zu verwenden. Im weiteren Verlauf des Trainings verfeinerte ich meine Stocktechnik, lernte mich von einem markanten Punkt zum nächsten Punkt zu hangeln. Vor allem lernte ich meine Ohren und meinen Geruchssinn zu verwenden, denn jede noch so kleine Information konnte für meine Orientierung hilfreich sein. 😉

In den ersten Wochen lernte ich den Weg zu meinen Eltern. Obwohl sie ganz in der Nähe wohnten galt es so manche Schwierigkeit zu überwinden. Nach einiger Zeit hatte ich es dann geschafft. Darüber war ich natürlich sehr stolz! Es spielte auch keine Rolle, das ich für einen Weg den ein Sehender in fünf Minuten zurücklegt knapp zwanzig Minuten brauchte. Für mich entscheidend war: Ich hatte den Weg alleine geschafft! 🙂

Mit dem Blindenstock auf Erkundungstour.

Natürlich genügte es mir nicht den Weg zur Wohnung meiner Eltern zu beherrschen. Nein! Ich wollte (musste) noch andere Dinge lernen. Also übten wir Straßen mit und ohne Ampel zu überqueren. Das Treppensteigen und wie ich öffentliche Verkehrsmittel nutzen kann. Selbst so Dinge wie Passanten nach dem Weg zu fragen, um Hilfe zu bitten, musste ich üben. So gut ich mich auch zurecht finde, ganz ohne fremde Hilfe werde ich (und andere Blinde) nie auskommen. Und da gilt es für Sehende einiges zu beachten! 😉

Das Überqueren von Straßen, das kannst du dir vielleicht vorstellen, dass war echt heikel. Technisch ist das nicht so schwierig, man richtet sich mit dem Blindenstock an der Bordsteinkannte aus, um auch wirklich gerade über die Straße gehen zu können. Doch dann muss man gut hinhören ob ein Auto kommt oder nicht. Ich kann dir sagen, dass braucht schon ein wenig Mut und vor allem „Gottvertrauen“.  Passanten um Hilfe zu bitten fiel mir schon leichter, einfach frei nach dem Motto: Lieber gleich fragen, als lange klagen! 😉

Ungewollt komisch wurde es, als ich während einer Trainingsstunde an einer Bushaltestelle den Ein- und Ausstieg in einen Bus üben sollte. Ich wartete also an der ungefähren Stelle an der der Bus mit der Fahrertür zum Halten kommen sollte. Unglücklicherweise war diese Stelle ausgerechnet ganz in der Nähe des Ampelüberwegs. Tja, und wie hilfsbereite Leute so sind, hat mich doch glatt einer, als die Ampel auf Grün umschaltete, am Arm gepackt und über die Straße geführt. Ich war natürlich ein wenig überrascht, um nicht zu sagen entsetzt, doch immerhin  hatte ich richtig reagiert, mich „brav“ über die Straße führen lassen, und erst als ich auf der anderen Seite ankam, den Irrtum aufgeklärt. Dem übereifrigen Helfer war das so peinlich, dass er gleich wortlos das Weite suchte. Halb so wild, war ja gut gemeint. 🙂

Du siehst, es ist nicht immer alles so einfach wie es scheint. Doch mit viel Übung und Geduld ist alles machbar. Und solltest du einmal in die Verlegenheit kommen einem Blinden helfen zu wollen, frag ihn bitte vorher, ob und wie du helfen kannst. Falls du mich an der Straße treffen solltest, ich werde deine Hilfe immer gern annehmen. 😉

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2 Kommentare

  1. Hallo David,
    Ja, das „outen“ als Behinderte ist immer wieder eine Herausforderung. Mittlerweile ist es „Routine“ jedem Gesprächspartner zu sagen – ich bin Schwerhörig, bitte sehen Sie mich an damit ich Sie verstehen kann, gehen Sie bitte auf meiner linken Seite – auf dem Ohr höre ich besser etc. Und trotzdem ist es selbst in der Familie kein Automatismus sondern immer wieder ein „darf ich Dich daran erinnern…“
    Und Fremden immer wieder erklären zu müssen was ich brauche damit ich etwas verstehe… Es braucht schon immer wieder Überwindung. Ich kann mir nicht vorstellen wie es gehen soll nur nach Gehör eine Straße zu überqueren (ich würde es definitiv nicht ausprobieren, selbst laute Geräusche wie Martinshorn höre ich in höchstens 2-3 m.)

    Ich bewundere deinen Mut.
    Herzliche Grüße, Eva

    • Vielen Dank Eva für dein nettes Lob, und deinen Kommentar! Ja, du hast Recht, es ist nicht immer leicht, aber es gibt auch kaum alternativen, man sollte immer versuchen das Beste daraus zu machen. Und davon mal abgesehen, man gewöhnt sich an so manches! 😉 Liebe Grüße David

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