Krise bewältigen nach Diagnose: Blind
Krise bewältigen! Leichter gesagt als getan, wenn die Diagnose: Sie sind blind, lautet! In den letzten Beiträgen hast du erfahren wie es ist, nichts oder fast nichts zu sehen. Heute möchte ich davon erzählen wie ich es trotz der Schwere meines Schicksals und der damit einhergehenden Widrigkeiten schaffte diese Krise zu bewältigen. Natürlich geschah das nicht über Nacht, es brauchte seine Zeit. Doch ich lernte damit umzugehen und erkannte, dass es lohnt eine Krise als Chance zu nutzen.
Ich kann mich noch gut erinnern, als wäre es gestern gewesen: Ich genieße die Fahrt auf meinem Motorrad und im nächsten Moment erwache ich mit einem Kopfverband im Krankenhaus. Auf die körperlichen Schmerzen möchte ich gar nicht eingehen. Anfangs war ich etwas erschrocken, nichts zu sehen, machte mir aber keine weiteren Sorgen. Das änderte sich nach einigen Tagen als mich der Stationsarzt über meinen Zustand aufklärte. „Herr Röthle, durch den Unfall haben sie leider ihre Sehkraft verloren, sie sind erblindet! Was hat er gesagt? Hab ich das richtig verstanden? Ich bin blind! Seine Worte trafen mich wie ein Schlag ins Gesicht und stürzten mich in die schwerste Krise meines Lebens!
Krise meistern: Trauer zulassen.
Wie kann man so eine Krise überwinden? Am Anfang hätte ich am Liebsten Tag und Nacht geheult und in unbeobachteten Augenblicken hab ich diesem Drang auch nachgegeben. Die Trauer kam oft in Schüben, meistens wenn ich für mich alleine war und ins Grübeln verfiel. In diesen Momenten tat ich mir so sehr selber leid, dass war unbeschreiblich. Da half auch kein noch so gut gemeinter Rat oder Trost.
Mein Glück – zumindest empfinde ich das so aus heutiger Sicht – der Rest meines Körpers war auch ziemlich lädiert. Mein Sehverlust war also nicht das einzige Problem das ich zu bewältigen hatte. Die körperliche Einschränkung hat mich etwas abgelenkt und so kreisten meine Gedanken nicht nur um die Blindheit.
Ich denke es war sehr wichtig der Trauer nachzugeben und zu weinen. Tränen haben eine reinigende Wirkung, jedenfalls hat mir das Weinen geholfen das Leid und den Schmerz zu lindern und den Ballast, der sich in diesen Tagen auf meine Seele gelegt hatte wegzuspülen. Es galt also das Tal der Tränen und der Trauer zu durchschreiten, um am Ende wieder etwas Licht am Horizont zu erblicken! 😉
Krise meistern: Schritt für Schritt.
Nach dem ich die erste Trauerphase überwunden hatte, wurde mir bald klar, dass ich ein Ziel brauchen würde, auf das ich hinarbeiten konnte. Klar, mein großes Ziel: Ich wollte wieder sehen, was nach Ansicht der Ärzte unerreichbar war. Ganz aufgeben wollte ich diesen Gedanken jedoch nicht. Die Ärzte könnten sich irren, schließlich können sie nicht in die Zukunft schauen. Ich hoffte einfach auf ein Wunder! Nichts desto Trotz, es mussten Ziele her, kleinere Ziele welche ich bestimmt erreichen konnte. Also definierte ich für mich das nächst größere Ziel, erst einmal gesund zu werden und dann meine Selbstständigkeit zurückerlangen.
Das dieses Ziel viel Kraft und Zeit beanspruchen würde wurde mir schon bald klar. Egal, ich nahm mein Schicksal wieder ein bisschen in die eigene Hand und hatte etwas auf das ich hin arbeiten konnte. Das bedeutete: Ich musste mich auf den Weg machen. Schritt für Schritt, immer einen Fuß vor den anderen setzen!
Zu Beginn hieß das lediglich exakt das zu tun was meine Ärzte verordneten: Ruhe und Erholung, um den Heilungsprozess zu ermöglichen. Nach dem Krankenhausaufenthalt hieß es vollständig gesund zu werden damit Brüche und Wunden vollends heilen. Darüber hinaus musste ich mich neu in meinem Umfeld orientieren was auch bedeutete die Hilfe anderer Personen anzunehmen. Es hieß aber auch wieder zu Kräften zu kommen, meinen Körper und Geist zu stärken, sei es mit ausgiebigen Spaziergängen, Treppensteigen, Hanteltraining und anregenden Gesprächen.
Bald bemerkte ich das körperliche und geistige Fitness sehr wichtig sind, um für all die künftigen Anforderung gerüstet zu sein. Jedenfalls hatte ich wieder etwas zu tun und kam meinem Ziel ein Stückchen näher. In der Reha setzte ich diese Vorgehensweise fort, versuchte so viel wie möglich an mir zu arbeiten und alles zu tun was mir in Zukunft helfen würde mehr Selbstständigkeit zu erlangen. Mit der Rückkehr ins Berufsleben und der Freude eines werdenden Vaters war es auch fast erreicht. Entscheidend war dass ich mich auf den Weg gemacht hatte, Schritt für Schritt meine Krise angegangen bin und nicht einfach stehen blieb! 🙂
Krise bewältigen: Ohne positives Umfeld geht nichts!
Du fragst dich warum dieser Punkt erst jetzt kommt? Diese Tatsache wurde mir einfach erst später klar. Eine Krise, vor allem diesen Ausmaßes, kann nur bewältigt werden, wenn das eigene Umfeld mitspielt! Denn ohne die Unterstützung meiner Familie, Freundin, Freunde und auch Arbeitgeber und Kollegen, nicht zu Letzt der Ärzte, Pfleger und Lehrer, wäre ich heute bestimmt nicht da wo ich bin! Ich hatte sehr großes Glück, dass all diese Personen zu mir standen, mich unterstützten und für mich da waren, wenn ich sie brauchte.
Diese Unterstützung und Hilfe zu bekommen tat sehr gut und war auch sehr wichtig. Ebenso wichtig war dabei die Erkenntnis, dass auch ich gebraucht wurde und trotz meines Handicaps, noch wertvoll war. Mir wurde klar, dass auch ich Verantwortung für die Menschen in meinem Umfeld trage. Schon aus diesem Grund nicht aufgeben darf oder sie gar im Stich lassen!
Krise bewältigen: Hoffnung und Gottvertrauen.
Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Natürlich geriet mein Glauben anfangs erheblich ins Wanken und meine Zweifel waren groß. Ich haderte sehr mit Gott. Wieso konnte er mir das nur antun und warum hat er mich nicht vor diesem Schicksal bewahrt? Weshalb passierte ausgerechnet mir so etwas? Andererseits stellte ich mir auch die Frage: Warum nicht, wer bin ich denn, dass mir so etwas nicht geschehen sollte? Vielleicht war Gott gerade in diesem Moment besonders für mich da?
Kennst du das Gleichnis aus der Bibel: Jesus erwiderte dem klagenden Kranken, auf dessen Frage wo er denn in der schwersten Stunde seines Lebens gewesen sei: „Da hab ich dich nicht nur begleitet sondern getragen“! So oder ähnlich hab ich das jedenfalls noch in Erinnerung, ich bin nicht ganz bibelfest. Wie auch immer, mir gab dieser Gedanke Kraft und Trost. Irgendwie schien das ja auch zuzutreffen, denn ich hatte viel Gutes in dieser Zeit erfahren! Neben meinem Gottvertrauen habe ich auch nie die Hoffnung verloren. Wusste ja schon aus vergangenen Krisen: Irgendwie geht es immer weiter, man darf nur nicht aufgeben! 😉
Bevor dieser Beitrag nun doch zu lange wird, werde ich meine Ausführungen hier unterbrechen. Es wäre schön, wenn ich dir mit meinen Worten ein wenig Zuversicht schenken konnte. In der Fortsetzung werde ich dir weitere Erfahrungen erzählen, um dich bestenfalls für die nächste Krise zu wappnen. Bis dahin, alles Gute und lass den Kopf nicht hängen! 😉