Hilfsbereitschaft, die Dosis macht das Gift!
Eine Besonderheit des Menschseins ist, seine Hilfsbereitschaft Bedürftigen gegenüber. Hilfsbereitschaft richtig dosiert, an der richtigen Stelle, ist eine wunderbare Sache. Doch wie bei allem kann man es auch hierbei übertreiben. Wie ich mir richtige Hilfsbereitschaft vorstelle, dass möchte ich dir in diesem Beitrag erzählen! 😉
Hilfsbereitschaft annehmen.
Leichter gesagt als getan. Eines der schwierigsten Dinge, für mich, nach der Erblindung war, zu akzeptieren, dass ich hilfsbedürftig bin. Gut, damals mehr als heute, dennoch, als Mensch mit einem Handicap ist man zwangsläufig immer wieder auf Hilfe angewiesen. Eine weitere Schwierigkeit war, diese Hilfe anzunehmen, die Scham zu überwinden.
Hilfsbereitschaft setzt Hilfsbedürftigkeit voraus.
Nicht jeder der hilflos erscheint ist auch wirklich hilfsbedürftig. Dass herauszufinden ist zugegebenermaßen nicht immer einfach. Fragen jedoch kann Abhilfe schaffen! Das Naheliegenste scheint jedoch manchmal zu fern. Zumindest bin ich schon des Öfteren in Situationen geraten, welche unnötig unangenehm waren, nur weil man nicht miteinander gesprochen hat.
Mir kann man meine Hilfsbedürftigkeit meist gut ansehen. Unsicher gehe ich hin und her, taste, suche und höre in alle Richtungen. Meist trage ich ein riesiges Fragezeichen vor mich her, zumindest bildlich gesprochen. In diesen Augenblicken lass ich mir natürlich gern helfen und werde darauf angesprochen.
Sollte mir jedoch einmal Gefahr für Leib und Leben drohen,, bitte ich dich, allen anstand beiseite zu lassen und beherzt einzugreifen!
Missglückte Hilfsbereitschaft.
Stell dir vor du stehst nichtsahnend an einer Bushaltestelle und wartest auf den Bus. Unglücklicherweise hast du dich bei dieser Gelegenheit ein wenig zu nahe an den angrenzenden Ampelüberweg gestellt. Plötzlich hörst du neben dir jemanden sagen: „Es ist grün“! Und bis du dich versiehst, wirst du auch schon am Arm gepackt und über die Straße gezogen.
Oder stell dir vor, du musst an deinem Arbeitsplatz auf die Toilette. Dazu musst du einen Verkaufsraum durchqueren, bei dem schon mal Dinge im Weg stehen können. Doch bevor du auf diese Hindernisse treffen könntest, wirst du beherzt an den Schultern gepackt und zwischen den Hindernissen hindurchgeschoben.
Klingt seltsam, meinst du? Mag sein, ist mir jedoch genau so passiert.
Wie sich wehren?
Wichtig ist es für mich in diesen Momenten Ruhe zu bewahren. Manchmal aber auch strikt und konsequent die Hilfe abzuwehren. Das kann ein energisches Entgegenstemmen, oder ein einfacher Entklammerungsgriff sein.
Bei einer ungewollten Straßenüberquerung hingegen, weise ich meinen Helfer erst auf der anderen Straßenseite auf das Missverständnis hin. Denn, ansonsten könnte es passieren, dass der Helfer seine Aktion mitten auf der Straße abbricht.
Entscheidend jedoch ist, das man den Ton wahrt. Ich versuche immer bestimmt, aber freundlich zu bleiben!
Hilfsbereitschaft, aber richtig.
Wie bereits erwähnt, gibt es eigentlich nur eine richtige Vorgehensweise: Fragen! Alles andere ist im Grunde diskriminierend und empfinde ich als Eingriff in meine Persönlichkeitsrechte. Wer will schon ungefragt bevormundet werden!
Darüber hinaus kannst du mir auch immer gern deinen Ellenbogen zum Führen anbieten. So folge ich dir gut geschützt um Hindernisse herum, oder auf die andere Straßenseite.
Möchtest du mir zeigen wo ich z. B. die Autotür, oder den Stuhl am Tisch finde, nimm doch einfach diesen Gegenstand in die Hand und ich kann mich anhand deines Armes orientieren.
Willst du mir hingegen eine Richtung zeigen, oder mir Orientierung auf einem Teller geben? Dann kannst du mir dies am besten mit Hilfe einer Uhrzeit beschreiben. So bedeutet meine Blickrichtung immer zwölf Uhr. Genauso verhält es sich mit dem oberen Rand eines Speisetellers, oder einen anderen Gegenstand, Zwölf Uhr ist gleich oben.
Steht also ein Auto leicht rechts von mir, könnte man auch sagen auf zwei Uhr. Liegt das Gemüse auf dem Teller am linken Rand, könnte man dies mit neun Uhr bezeichnen.
Fazit: Hilfsbereitschaft ist eine wichtige Tugend in unserer Gesellschaft. Allerdings sollte sie nie aufgenötigt werden, schon gar nicht ungefragt. Manchmal ist eben weniger mehr! 😉
Du hast völlig Recht, ich wünschte mir auch, dass mehr gefragt wird, statt wegzuschauen oder zubevormunden. Bei blinden Kindern wird auch häufig vorausgesetzt, dass sie begriffsstutzig sind… Die blinden Stimmen sollten unbedingt lauter werden, damit die Menschen nicht mehr so ängstlich vor Begegnungen mit Blinden (etc.) sind.
Liebe Jana, vielen Dank für deinen netten Kommentar! Du hast völlig Recht, und das ist mit ein Grund für meine Seite. Herzlichen Gruß David