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Gepostet on Apr 26, 2016 in Allgemeine Themen, Zum Schmunzeln | Keine Kommentare

Nachts in Schloss Veitshöchheim

Nachts in Schloss Veitshöchheim

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Heute möchte ich dir wieder einmal eine kleine Anekdote aus der Anfangszeit meiner Erblindung erzählen. In diesem Fall aus der Zeit als ich zur Grund-Reha im Berufsförderungswerk-Würzburg, in Veitshöchheim war. Das diese Zeit, von Herbst 1998 bis Frühjahr 2000, sehr intensiv war kannst du dir bestimmt vorstellen. Auf einmal galt es alles nochmals neu zu lernen. Erneut die Schulbank drücken, um all die Blindenfähigkeiten zu erlernen. Aber damit nicht genug, wir mussten auch die anderen Dinge drum herum neu betrachten, zumindest von einem anderem Blickwinkel.

Fast fühlte man sich wieder in die Pubertät zurückversetzt. Damals sah ich die Welt mit ganz anderen Augen, alles war irgendwie neu, wollte erobert und entdeckt werden. Eine Zeit in der die Sinne ständig angespannt waren und alles intensiv wahrgenommen wurde. So erging es mir auch in der Reha in Veitshöchheim. Auch dort gab es schwierige Situationen zu meistern, sich neuen Herausforderungen zu stellen und so manches Abenteuer zu bestehen.

Im Hofgarten von Schloss Veitshöchheim.

In Veitshöchheim, eine beschauliche Gemeinde in der Nähe von Würzburg, hat das Berufsförderungswerk seinen Sitz. Ein schöner, ruhiger Ort der zum Erholen einlädt, und auch für uns Blinde oder Sehbehinderte ein gutes Umfeld zum Erproben der Orientierung bietet. Für die Jüngeren unter uns war allerdings nicht so viel geboten, wer richtig ausgehen wollte, der musste schon nach Würzburg fahren. Eine Besonderheit hatte dieser Ort allerdings, dass Schloss Veitshöchheim und der tolle Hofgarten mit der üppigen Blumenpracht.

Laut Wikipedia gilt dieser als einer der schönsten Rokoko-Gärten Europas. Das Schloss diente im Jahre 1680 den Kurfürsten und später den Königen von Bayern als Sommerresidenz. Dieser geschichtsträchtige Ort ist wirklich eine Reise wert. Wir hatten dieses schöne Schloss und seine Gartenanlage im Zuge eines Schulausflugs kennengelernt. Doch das mein Klassenkamerad Paul und ich einmal im Hofgarten von Schloss Veitshöchheim eingesperrt werden würden, war ein ganz besonderes Ereignis. Wobei, einmal wurden wir auch innerhalb des Schulgeländes eingesperrt, doch davon werde ich vielleicht ein andermal berichten! 😉

An einem lauen Sommerabend, die letzte Unterrichtsstunde war ausgefallen, machten Paul und ich uns munter auf den Weg in den Hofgarten. Paul hatte noch genug Sehkraft und konnte sich problemlos ohne Stock orientieren. Er nahm mich am Ellenbogen und ich folgte ihm auf dem Fuß. Bei diesen Gelegenheiten vertrieben wir uns gern die Zeit mit dem Lösen von „Krimi-Rätsel“. Keine Ahnung woher wir die ganzen Geschichten hatten. Jeder von uns wusste ein paar dieser Storys. Es ging immer um sonderbare Vorfälle, meist mit tödlichem Ausgang. Einer von uns beschrieb eine Situation und der andere musste versuchen, durch Fragen, welche nur mit ja oder nein beantwortet werden durften, die Geschichte zu dieser Begebenheit herauszufinden. Eine tolle Sache um sich die Zeit zu vertreiben und die grauen Zellen mit anderen Dingen zu beanspruchen, als mit Punktschrift oder Computer-Kram. Es war wie ein Ausgleichssport! Aber vor allem war es eine gute Möglichkeit die Zeit zu vergessen.

Total versunken in unserem Rätselspaß spazierten wir auf den verschlungenen Wegen des Hofgartens. Vorbei an wunderschön angelegten Blumenbeeten, Brunnen und Statuen. Irgendwann fiel uns auf, dass es um uns herum ziemlich ruhig geworden war, genauer gesagt: Wir waren allein, keine Menschenseele zu Sehen und zu Hören. Nervös blickten wir auf unsere Uhren: Viertel nach sechs! War es möglich, dass wir die Öffnungszeit überschritten hatten? Das konnte doch nicht sein, so dachten wir jedenfalls. Es war doch noch früh am Abend und eine Aufforderung zum Verlassen des Hofgartens hatten wir auch nicht gehört. Mit einem etwas flauen Gefühl im Magen machten wir uns schleunigst auf dem Weg zum nächsten Ausgang. Tja und was soll ich sagen, das Tor war tatsächlich verschlossen. Nicht zu fassen! Unsere anfängliche Ratlosigkeit wich langsam einer aufkommenden Panik. Schnellen Schrittes gingen wir zum nächsten Ausgang doch auch hier war das Tor verschlossen. Wir waren tatsächlich eingesperrt!

Was also tun? Über die Mauer klettern kam nicht in Frage, dass stellten wir schnell fest. Für eine „Spitzbubenleiter“ war die Mauer zu hoch, Paul zu schwer und oben schienen auch noch spitzige Scherben eingelassen zu sein. Ich sah mich in diesem Moment schon mein Lager unter einem der Bäume im Hofgarten von Schloss Veitshöchheim aufschlagen und die Nacht im Freien verbringen. Nur gut, dass kein Frost zu befürchten war, sicher würden wir dieses Missgeschick heil überstehen. Ganz wohl war mir nicht zumute! Was würde die Schulleitung zu diesem Vorfall sagen, wenn das raus käme? ;-(

Die Flucht aus dem Hofgarten.

Der rettende Einfall: Einfach am Tor stehen bleiben und hoffen das doch noch ein Spaziergänger des Wegs kommt der uns bemerkt. In diesem Moment wurde mir wieder einmal bewusst, wie zäh die Zeit vergeht wenn man auf etwas wartet. In solchen Situationen können Minuten zu Stunden werden. Doch wir hatten Glück! Schon bald konnte Paul eine Person in der Nähe erkennen und zu uns rufen. Wir erklärten unsere missliche Lage und baten um Hilfe. Kurz darauf kam dann ein Mann ans Tor. Es war der Wirt der angrenzenden Gaststätte. Er meinte sein Gasthaus wäre direkt an den Hofgarten angebaut und wir könnten durch ein Fenster, das direkt in den Garten zeigte, entfliehen. Erleichtert gingen wir zur besagten Stelle. Der Wirt öffnete uns das Fenster und wir kletterten, mit einigen Mühen, in sein Gasthaus. Gerettet!

Uns fiel ein Stein vom Herzen! Da hatten wir wieder einmal ganz schön Schwein gehabt. Mit einem Schmunzeln im Gesicht meinte der Wirt nur wir wären nicht die Ersten und würden sicher auch nicht die Letzten sein die durch dieses Fenster den Hofgarten verlassen würden. 🙂 Klar, nach dem Schreck und auch aus Dankbarkeit, gönnten wir uns noch ein Bier. Nach all der Aufregung hatten wir das auch dringend nötig. Tja, und was soll ich sagen, dieses Bier in Freiheit, hat wirklich wunderbar geschmeckt! Da kann man mal wieder sehn, wenn man kreativ beziehungsweise gelenkig ist, sind auch verschlossene Hofgärten kein Hindernis mehr! 🙂

Ach ja, bevor ich es vergesse, das Foto ist natürlich nicht aus dem Veitshöchheimer Schlossgarten, einen Fotografen hatten wir damals nicht dabei. Das Foto für diesen Beitrag ist wie immer von meiner lieben Frau geschossen. Und wenn dir gefällt was ich hier schreibe, lass es mich wissen und erzähl es gerne weiter. 😉

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